ADHS begleitet viele Menschen ein Leben lang und kann sich im Erwachsenenalter in verschiedenen Facetten äußern. Während sich die typischen Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes- und Jugendalter vor allem durch Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität zeigen, verändern sich diese Merkmale oft im Laufe der Zeit. Im Erwachsenenalter treten andere Aspekte der Störung in den Vordergrund, die sich auf Beruf, soziale Beziehungen und den Alltag auswirken können. Diese Symptome variieren zudem je nach Geschlecht und Lebenssituation, insbesondere bei Männern, Frauen und Müttern.
Allgemeine Symptome bei Erwachsenen
Die Symptome von ADHS im Erwachsenenalter können in drei Hauptkategorien unterteilt werden: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Obwohl Erwachsene oft nicht mehr die ausgeprägte motorische Hyperaktivität zeigen, die bei Kindern häufig beobachtet wird, sind andere Schwierigkeiten weiterhin präsent.
Unaufmerksamkeit:
Erwachsene mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, sich über längere Zeiträume auf Aufgaben zu konzentrieren, insbesondere wenn diese wenig anregend oder monoton sind. Sie verlieren leicht den Faden, haben Schwierigkeiten, Informationen zu verarbeiten, oder machen Flüchtigkeitsfehler.
Probleme mit der Aufgabenorganisation und dem Zeitmanagement sind häufig. Betroffene haben oft Mühe, Prioritäten zu setzen und wichtige Aufgaben rechtzeitig zu erledigen, was zu Prokrastination und Stress führen kann.
Betroffene sind schnell ablenkbar und haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit auf eine einzige Aufgabe zu lenken. Sie lassen sich leicht von äußeren Reizen oder eigenen Gedanken ablenken, was die Produktivität im Alltag oder im Berufsleben beeinträchtigen kann.
Hyperaktivität:
Im Erwachsenenalter äußert sich Hyperaktivität häufig nicht mehr durch offensichtliche körperliche Unruhe, sondern eher durch innere Rastlosigkeit. Viele Betroffene haben das Gefühl, ständig „auf Hochtouren“ zu laufen, können sich schwer entspannen oder zur Ruhe kommen.
Es zeigt sich oft ein starkes Bedürfnis nach ständiger Aktivität oder Bewegung. Manche Erwachsene mit ADHS neigen dazu, viele Projekte gleichzeitig anzufangen, sich aber in der Ausführung zu verzetteln.
Nervosität, das ständige Wippen mit dem Fuß oder das Trommeln mit den Fingern sind subtile Anzeichen von innerer Unruhe.
Impulsivität:
Impulsivität kann sich im Erwachsenenalter auf verschiedene Arten äußern. Betroffene handeln oft, ohne gründlich nachzudenken, treffen spontane Entscheidungen, die sie später bereuen, oder haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu kontrollieren.
Impulsivität führt oft zu Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen, weil Betroffene dazu neigen, unbedachte Kommentare zu machen oder überstürzt zu handeln, ohne die Konsequenzen ausreichend zu überdenken.
Auch finanzielle Impulsivität ist verbreitet. Viele Erwachsene mit ADHS haben Schwierigkeiten, ein geregeltes Budget einzuhalten oder sparen nicht langfristig, was zu finanziellen Problemen führen kann.
ADHS bei Männern
ADHS-Symptome bei Männern werden häufig anders wahrgenommen oder ausgedrückt als bei Frauen, was auch auf unterschiedliche gesellschaftliche Erwartungen zurückzuführen ist. Männer zeigen oft ausgeprägtere Symptome in den Bereichen Impulsivität und Hyperaktivität.
Hyperaktivität und Impulsivität:
Bei Männern kann sich ADHS durch stärkere Impulsivität und innere oder äußere Unruhe äußern. Sie sind oft impulsiver in ihren Entscheidungen, handeln spontan und neigen zu riskanten Verhaltensweisen, wie schnelles Fahren oder überstürztes Handeln im beruflichen Umfeld.
Im Beruf oder im Alltag neigen sie dazu, Aufgaben nicht durchdacht zu planen oder sie chaotisch zu erledigen, was zu wiederkehrenden Problemen mit Kollegen oder Vorgesetzten führen kann. Ihr Bedürfnis nach ständigem Wechsel und Bewegung zeigt sich oft auch in beruflichen Sprüngen oder häufigen Jobwechseln.
Emotionale Regulation:
Männer mit ADHS haben häufiger Probleme, ihre Emotionen zu regulieren. Dies kann zu plötzlichen Wutausbrüchen, Frustration und erhöhter Reizbarkeit führen. Diese emotionale Impulsivität kann sich negativ auf Freundschaften und familiäre Beziehungen auswirken.
Selbstwertgefühl und psychische Gesundheit:
Viele Männer mit ADHS entwickeln aufgrund ihrer Schwierigkeiten ein geringes Selbstwertgefühl, insbesondere wenn sie die Anforderungen im Beruf oder im sozialen Leben nicht erfüllen können. Dies kann zu depressiven Verstimmungen, Angststörungen oder Substanzmissbrauch führen.
ADHS bei Frauen
ADHS bei Frauen wird oft weniger erkannt, da ihre Symptome subtiler erscheinen können. Frauen zeigen häufig weniger Hyperaktivität und Impulsivität als Männer, während Unaufmerksamkeit und emotionale Herausforderungen im Vordergrund stehen.
Unaufmerksamkeit:
Frauen mit ADHS kämpfen oft mit Unaufmerksamkeit und Desorganisation, was im Alltag große Belastungen mit sich bringen kann. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, vergessen häufig Termine oder verlieren den Überblick über ihre Verpflichtungen.
Sie neigen dazu, in Gedanken zu versinken oder sich in Tagträumen zu verlieren, was zu Missverständnissen im sozialen oder beruflichen Umfeld führen kann.
Emotionale Sensibilität:
Frauen mit ADHS sind oft emotional sensibler und erleben häufige Stimmungsschwankungen. Sie können sich schnell überfordert oder gestresst fühlen, was zu Angstzuständen oder Depressionen führen kann. Diese emotionale Reaktivität wird oft als „Overthinking“ oder übertriebene Sorge wahrgenommen.
Zudem leiden sie oft unter Selbstzweifeln und einem Gefühl der Unzulänglichkeit, da sie versuchen, den gesellschaftlichen Erwartungen an Perfektionismus und Organisation gerecht zu werden, was ihnen aufgrund ihrer ADHS-Symptome schwerfällt.
Probleme im sozialen Umfeld:
Frauen mit ADHS haben häufig Schwierigkeiten, soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten. Sie fühlen sich oft missverstanden oder kämpfen mit Schuldgefühlen, weil sie ihre Unaufmerksamkeit oder Vergesslichkeit als persönliches Versagen interpretieren.
ADHS bei Müttern
Für Mütter mit ADHS stellen die täglichen Anforderungen der Kindererziehung, des Haushalts und des beruflichen Lebens eine besondere Herausforderung dar. Die Symptome können sich in diesem Lebensabschnitt besonders stark auf die Funktionsfähigkeit im Alltag auswirken.
Überforderung und Stress:
Mütter mit ADHS sind oft von den vielfältigen Aufgaben, die die Kindererziehung mit sich bringt, überwältigt. Die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu organisieren, wie Haushalt, Kinderbetreuung und berufliche Pflichten, wird durch ADHS stark beeinträchtigt, was häufig zu Erschöpfung und Frustration führt.
Probleme mit dem Zeitmanagement sind ein zentraler Stressfaktor. Pünktlich zu sein, Termine zu organisieren und alltägliche Routinen für die Familie zu schaffen, stellt für viele Mütter mit ADHS eine erhebliche Herausforderung dar.
Schuldgefühle und Selbstzweifel:
Mütter mit ADHS leiden oft unter ausgeprägten Schuldgefühlen, weil sie das Gefühl haben, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Sie vergleichen sich häufig mit anderen Müttern und erleben Schamgefühle, wenn sie Aufgaben wie die Organisation des Haushalts oder die Betreuung der Kinder als überfordernd empfinden.
Beziehungen innerhalb der Familie:
Die Impulsivität und emotionale Reaktivität von Müttern mit ADHS kann zu Spannungen in der Familie führen. Kinder reagieren sensibel auf Stimmungswechsel und auf die manchmal unvorhersehbare Reaktion ihrer Mutter, was zu Missverständnissen führen kann.
Viele Mütter mit ADHS berichten, dass sie das Gefühl haben, nicht „gut genug“ zu sein oder ihren Kindern nicht die Struktur bieten zu können, die sie sich wünschen. Dies kann wiederum zu Stress und emotionaler Belastung führen.
Die Symptome von ADHS im Erwachsenenalter sind vielfältig und variieren stark, abhängig von Geschlecht, Lebenssituation und individuellen Umständen. Für Männer stehen häufig Hyperaktivität und Impulsivität im Vordergrund, während Frauen vermehrt unter emotionaler Sensibilität und Unaufmerksamkeit leiden. Mütter mit ADHS sind besonders gefordert, da sie zusätzlich mit den komplexen Anforderungen der Kindererziehung und Haushaltsführung umgehen müssen. In jedem Fall ist es wichtig zu betonen, dass ADHS keine Einschränkung, sondern eine besondere Art und Weise ist, die Welt zu erleben – und mit den richtigen Strategien können die Herausforderungen gemeistert werden.
Quellen:
Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Quellen, die die Symptome von ADHS im Erwachsenenalter und die Unterschiede zwischen Männern, Frauen und Müttern untersuchen. Hier einige relevante Studien und Bücher, die die inhaltlichen Aussagen untermauern:
Barkley, R. A. (2015). Attention-Deficit Hyperactivity Disorder: A Handbook for Diagnosis and Treatment. 4th Edition. Guilford Press.
Dieses Werk gilt als eine der umfassendsten Referenzen zu ADHS, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Barkley beschreibt detailliert, wie sich ADHS-Symptome im Laufe des Lebens verändern und wie diese die Lebensqualität im Erwachsenenalter beeinflussen. Besonders betont wird die Persistenz von ADHS im Erwachsenenalter und die damit verbundenen Schwierigkeiten im Alltag.
Simon, V., Czobor, P., Bálint, S., Mészáros, A., & Bitter, I. (2009). Prevalence and correlates of adult attention-deficit hyperactivity disorder: meta-analysis. British Journal of Psychiatry, 194(3), 204-211.
Diese Metaanalyse gibt einen umfassenden Überblick über die Prävalenz von ADHS im Erwachsenenalter und zeigt auf, dass rund 2,5 % der Erwachsenen weltweit betroffen sind. Sie untersucht auch, wie ADHS bei Erwachsenen diagnostiziert und manifestiert wird.
Kessler, R. C., Adler, L., Barkley, R., Biederman, J., Conners, C. K., Demler, O., … & Zaslavsky, A. M. (2006). The prevalence and correlates of adult ADHD in the United States: results from the National Comorbidity Survey Replication. American Journal of Psychiatry, 163(4), 716-723.
Diese Studie analysiert die Verbreitung von ADHS bei Erwachsenen in den USA und beleuchtet geschlechtsspezifische Unterschiede in der Symptomatik. Sie ist eine wichtige Referenz für die Unterscheidung von ADHS-Symptomen bei Männern und Frauen.
Quinn, P. O., & Madhoo, M. (2014). A Review of Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder in Women and Girls: Uncovering This Hidden Diagnosis. The Primary Care Companion for CNS Disorders, 16(3).
Dieser Artikel konzentriert sich speziell auf ADHS bei Frauen und Mädchen. Quinn und Madhoo zeigen, dass Frauen mit ADHS häufig übersehen oder falsch diagnostiziert werden, weil ihre Symptome subtile Formen annehmen, wie emotionale Überempfindlichkeit und Unaufmerksamkeit, die weniger mit den traditionellen hyperaktiven Merkmalen assoziiert sind.
Hinshaw, S. P., & Scheffler, R. M. (2014). The ADHD Explosion: Myths, Medication, Money, and Today’s Push for Performance. Oxford University Press.
Diese Quelle beschreibt die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einflüsse auf die Diagnose von ADHS, einschließlich geschlechtsspezifischer Unterschiede und der besonderen Herausforderungen, denen Mütter mit ADHS gegenüberstehen.
Mowlem, F., Agnew-Blais, J., Taylor, E., & Asherson, P. (2019). Do different factors influence whether girls versus boys meet ADHD diagnostic criteria? Sex differences among children with high ADHD symptoms. Psychiatry Research, 272, 765-773.
Diese Studie untersucht Geschlechtsunterschiede bei der Diagnose von ADHS und zeigt, dass Mädchen und Frauen oft erst später diagnostiziert werden, da ihre Symptome eher subtil und internalisiert sind.
Wasserstein, J. (2005). Diagnostic Issues for Adolescents and Adults with ADHD. Journal of Clinical Psychology, 61(5), 535-547.
Wasserstein beleuchtet die diagnostischen Herausforderungen, insbesondere bei Erwachsenen, und beschreibt geschlechtsspezifische Unterschiede, insbesondere bei Frauen, die häufig nicht die typischen Symptome zeigen, die bei Männern stärker ausgeprägt sind.
Diese Quellen geben einen detaillierten Überblick über die Forschung zu ADHS bei Erwachsenen, den geschlechtsspezifischen Unterschieden sowie den besonderen Herausforderungen, denen Mütter mit ADHS gegenüberstehen. Sie unterstreichen, dass ADHS als ein komplexes und vielschichtiges Phänomen zu verstehen ist, welches sich je nach Geschlecht und Lebenssituation unterschiedlich manifestiert.